Freitag 17. Juni 2016
Tagung in den Merian Gärten, Basel
"Grün 80 - Ein Erfolgsmodell für die Zukunft!?"
Im Rahmen der nationalen Kampagne "Gartenjahr 2016 - Raum für Begegnungen" veranstaltete die SLA in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen eine Tagung. Wir zeigten dort erstmals im Rahmen einer kleinen Ausstellung Pläne zur Grün 80 aus unseren Beständen.
An der Veranstaltung diskutierten Fachpersonen über die Visionen der Grün 80, ihre Auswirkung auf die öffentliche Wahrnehmung von Grünflächen und die Erhaltung der Gartendenkmäler. Ist es an der Zeit, angesichts der Bedrohung von Grünflächen durch Verdichtung und Verlust von Freiraum eine neue nationale Gartenschau zu lancieren? Die Veranstaltung wurde mit einem Podium mit Zeitzeugen und Protagonisten von heute abgeschlossen.
Trägerschaft
Diese Veranstaltung wurde unterstützt von:
Tagungsbericht
Rund 20 Tonnen Beton brachte der Dinosaurier auf die Waage. Das Schwergewicht stand als Mahnmal für die Zivilisation auf einem kleinen Hügel inmitten der Grün 80 und gilt bis heute als Maskottchen der Ausstellung für Garten- und Landschaftsbau, die im Sommer 1980 in der Brüglinger Ebene bei Basel stattfand. Eine hochkarätig besetzte und von einem interessierten Fachpublikum besuchte Tagung näherte sich dem Grossanlass auf unterschiedlichen Ebenen und stellte die Frage nach einer Neuauflage der landesweiten Veranstaltung.
Ideengeschichte und Kulturzeugnis, Erhaltung und Nachnutzung
Im Zentrum des ersten Teils der Tagung standen die Entstehungsgeschichte der Grün 80 sowie ihr Wert als Gartendenkmal. Die Landschaftshistorikerin Annemarie Bucher führte ihre Zuhörer in die Ideengeschichte der Ausstellung und skizzierte den Kontext auf, in dem sie entstanden war. Auch in der Schweiz hatten in den 1970er-Jahren tiefgreifende bauliche Veränderungen, der Wandel von der Agrar- zur Dienstleistungsgesellschaft und eine diffuse Angst vor Umweltkatastrophen in der Ökologiebewegung gemündet. Als Kind dieser Entwicklungen wollte die Grün 80 ihren Besuchern unter dem Motto «Vorwärts zur Natur» einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen ans Herz legen. Veranstalter waren die Berufsverbände der Schweizer Landschaftsarchitekten und Gärtner, die für ihr Vorhaben die Basler Christoph Merian Stiftung gewinnen konnte. Diese stellte das ehemalige Landgut Christoph und Margaretha Merians in der Brüglinger Ebene als Austragungsort zur Verfügung. Die Schau war ein Erfolg und das ehemalige Ausstellungsgelände blieb wie von den Veranstaltern gewünscht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Heute sind zwei Institutionen für die weitläufigen Anlagen zuständig: Die Stiftung Park im Grünen der Migros, mit der die CMS 1981 einen Baurechtsvertrag abschloss, unterhält die ehemalige Seenlandschaft der Gartenausstellung, die CMS die Merian Gärten, in denen seit 2012 der ehemalige botanische Garten, der einstige Merian Park sowie der Brüglingerhof vereint sind. Gemäss dem Direktor der Stiftung, Beat von Wartburg, der zu den Tagungsbesuchern über die Nachnutzung des Geländes sprach, sind sowohl die vor 36 Jahren getätigte Investition in die Ausstellung als auch die seit dann angefallenen Kosten für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung in der Höhe von rund 100 Millionen Franken gut investiertes Geld. Der Park ist über die Grenzen Basels hinaus bekannt und zählt zu den beliebtesten Naherholungsgebieten der Region.
Die Grün 80 entstand in einer kulturell hochwertigen Landschaft. Im 19. Jahrhundert befand sich hier der landwirtschaftliche Musterbetrieb samt Landschaftspark des damaligen Besitzerehepaars Christoph und Margaretha Merian. Der Umgang mit diesem kulturellen Erbe beschäftigte nicht nur die Gestalter der Landesausstellung, sondern wirft bis heute Fragen auf. Der Landschaftsarchitekt Johannes Stoffler und die Denkmalpflegerin des Kantons Basel-Land, Brigitte Frei-Heitz, verfolgten diese Entwicklungsstränge und lieferten aufschlussreiche Informationen zum Thema.
Ein Podium mit Vertretern aus der Entstehungszeit der Grün 80 schloss den ersten Teil der Tagung ab. Hans-Peter Ryhiner, Direktor der Grossveranstaltung, der Landschaftsarchitekt Christian Stern und der ehemalige Kommunikationschef Kurt Aeschbacher berichteten anschaulich von der Entstehungszeit der Gartenschau. Die passenden Bilder dazu hatten zuvor Ausschnitte historischer Filmbeiträge geliefert, die der Historiker Claudio Miozzari in Kooperation mit dem Verein Memoriav zusammengestellt hatte. Weitere Zeitdokumente – grossformatige Pläne, Zeitungsausschnitte und Fotos – waren aus dem Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur an den Tagungsort gelangt. Dass die Aufarbeitung des dort und an anderen Orten vorhandenen Archivmaterials ein bedeutendes Forschungsdesiderat ist, war ein wichtiges Fazit des ersten Teils der Tagung. Eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit der Planung der Grün 80, ihren Hintergründen und Auswirkungen ermöglicht es, das Wissen über die jüngere Geschichte der Schweizer Landschaftsarchitektur um ein bedeutendes Kapitel zu erweitern.
Gartenschauen heute und Visionen
Braucht die Schweiz eine neue nationale Gartenschau? Welche Parameter haben sich bei der Planung eines solchen Unterfangens in den vergangenen 36 Jahren verändert? Und welche Themen stünden heute im Zentrum einer Ausstellung? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Tagungsteilnehmer im zweiten Teil der Veranstaltung. Einen Blick über die Landesgrenzen hinaus warfen sie gemeinsam mit Hanspeter Faas. Der Geschäftsführer der Bundesgartenschau, die für 2019 im süddeutschen Heilbronn geplant ist, zeigte eindrücklich auf, wie die Grossveranstaltungen heute zur städtebaulichen Entwicklung eines Gebiets beitragen. Die deutschen BUGAs, die in den Nachkriegsjahren als Instrument für den Wiederaufbau ins Leben gerufen wurden, stossen heute wichtige städtebauliche Prozesse an. Sie dienen längst nicht mehr der Darstellung des Berufsbilds von Gartenbauern oder Landschaftsarchitekten, sondern haben sich zu einem Wirtschaftsmotor mit nachhaltiger Wirkung gewandelt. Auf prägende Auswirkungen unterschiedlicher Ausstellungen wies auch der Städtebau- und Planungshistoriker Angelus Eisinger hin. Eine Vielzahl von «Erbstücken» temporärer Schauen beeinflust heute das Leben in europäischen Städten. Darüber hinaus können Ausstellungen Kommunikations- und Verhandlungsprozesse anstossen. Ihren Erfolg gilt es demnach nicht an den Besucherzahlen zu messen, sondern an ihren nachhaltigen Wirkungen und nicht zuletzt an der Veränderung des Images einer Stadt.
Einen wenig euphorischen Blick auf die Planung einer Landesausstellung in der Schweiz warf Martin Heller. Nur wenige Tage zuvor hatten sich die Stimmbürger gegen einen Planungskredit für die für 2027 in der Ostschweiz geplante EXPO ausgesprochen und die Vision einer siebten Schweizer Landesausstellung war bereits an ihrer ersten Hürde gescheitert. Für den Ausstellungsmacher und Kulturunternehmer liegen die Gründe dafür auf der Hand: Ein strenges Vergaberecht, der zunehmende Trend zur Ökonomisierung und die wachsenden Ansprüche an Partizipation unterbinden in seinen Augen die «Planung des Ausnahmezustands». «Der Alltag ist schwierig genug» – dies sein ernüchterndes Fazit.
Was bedeutet dies für eine neue Schweizer Gartenausstellung? Ist auch die Neuauflage einer «grünen Schau» heute nicht mehr möglich? Nein, befanden die Teilnehmer des Abschlusspodiums. Ausstellungen haben nach wie vor das Potenzial, aktuelle Themen zur Diskussion zu stellen und lokal zu nachhaltigen Auswirkungen beizutragen. Es braucht jedoch Personen, die sich dafür engagieren und nicht zuletzt exponieren. Peter Paul Stöckli, Mitinitiator der Tagung und Mitglied der Konzeptgruppe der Grün 80, ist davon überzeugt: Wäre er zwanzig Jahre jünger, würde er nicht zögern und eine neue Gartenausstellung in Angriff nehmen.
Grün 80 – ein Erfolgsmodell für die Zukunft?!
Tagung am Freitag, 17. Juni 2016
Lehmhaus, Merian Gärten, Unter Brüglingen 3B, Basel
Veranstaltet von:
- Schweizerische Stiftung für Landschaftsarchitektur SLA
- Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen BSLA
- Christoph Merian Stiftung CMS
- Merian Gärten
unterstützt von der Stadtgärtnerei, Kanton Basel-Stadt
Claudia Moll, 26. Juni 2016